27.05.2016 BZ-2

So wird bei 1200 Grad eine Kirchenglocke gegossen

Ein seltenes Spektakel: Die Allmannsweierer haben am Donnerstagabend zuschauen können, wie die vierte Glocke für ihre Kirche gegossen wird. Die Vorbereitungen dauerten den ganzen Tage, der Guss selbst war in drei Minuten vollzogen

Badische Zeitung, 27. Mai 2016 |von: has

Die Glockengießer in Aktion. Foto: Christoph Breithaupt

Die Glockengießer in Aktion.
Foto: Christoph Breithaupt

SCHWANAU-ALLMANNSWEIER. Am Donnerstagabend ist in Allmannsweier die Kirchenglocke gegossen worden. Zahlreiche Zuschauer verfolgten den Tag über die Vorbereitungen und am späten Abend den eigentlichen Gussvorgang.

Der flackernde orangerote Schein der flüssigen Glut erhellt die Gesichter der gespannt blickenden Zuschauer. Lange haben sie ausgeharrt, um bei dem Schauspiel dabei zu sein, wie eine Glocke gegossen wird. Endlich ist es soweit: André Voegele bittet um Ruhe, seine Mitarbeiter müssen sich konzentrieren. Punkt 22 Uhr schöpfen sie mit langen Kellen die auf 1200 Grad erhitzte Legierung aus dem Schmelztiegel, lassen sie in die Rinne fließen und in die Öffnung der in die Erde eingegrabenen Glockenform. In drei Minuten ist alles vorbei. Voegele ist zufrieden: „Der Guss ist zu Ende. Technisch hat alles gut funktioniert.“ Applaus brandet auf.

Die erwartungsvolle Stille löst sich und mündet in angeregten Gesprächen über das Gesehene. Jetzt heißt es warten, bis die Glocke am Samstag ausgegraben und erstmals angeschlagen werden kann. Den ganzen Freitag über muss sie in der Erde auskühlen.

Für Voegele und seine Mitarbeiter von der gleichnamigen Glockengießerfirma, die sich jetzt ihrer dicken Schutzanzüge und Helme entledigen, geht ein arbeitsreicher Tag zu Ende. Und auch die Mitglieder des Fördervereins zur 1000-Jahr-Feier und die etwa 120 Helferinnen und Helfer werden aufgeatmet haben, dass alles so gut geklappt hat.

 

„Jetzt kommt noch ein Maggiwürfel rein, dann müsste die Suppe gut sein.“
Glockengießer André Voegele

Der Tag begann mit der Anlieferung der Glockenform, dem Bau des Schmelzofens und dem Einlassen der Form in die Erde (die BZ berichtete gestern). Am Abend wurde der Ofen gezündet, der die Bronzelegierung auf 1200 Grad Celsius erhitzen sollte. Davor befragte Stefan Gruseck, zweiter Vorsitzender des Fördervereins und als Moderator unterwegs, André Voegele rund um den Glockenguss. Auch Zuschauer konnten Fragen stellen. Voegele erwies sich als humorvoller Gesprächspartner.

Seine Firma gieße in Straßburg bis zu 100 Glocken im Jahr, einen Vor-Ort-Guss wie in Allmannsweier jedoch nur drei- bis sechsmal im Jahr. Auf die Frage von Gruseck, wie oft aus einem Glockenguss nichts wird, antwortete Voegele: „In den 16 Jahren, in denen wir das machen, ist uns das nur einmal passiert. Und das war ein logistisches Problem und es fehlte nur die Krone der Glocke.“

Ortsvorsteherin Ria Bühler erinnerte, dass der Glockenguss, wie er heute hier praktiziert werde, von Mönchen entwickelt worden und so alt wie das Dorf sei, also 1000 Jahre. In Allmannsweier, so hatte Bühler recherchiert, wurde erstmals 1621 eine Glocke erwähnt. Später sei eine zweite Glocke hinzugekommen und beim Neubau der Kirche 1783 eine dritte. Jeweils zwei der drei Glocken musste die Kirchengemeinde in den beiden Weltkriegen abgeben. Bühler: „1949 konnten zwei neue Glocken erworben werden. Unsere drei Glocken leisten seit 67 Jahren ihren Dienst in Frieden.“

Pfarrerehepaar Malter spricht ein Gebet, dann beginnt der Guss

Gruseck kündigt gegen 21 Uhr an, dass es demnächst losgeht. Es dauert aber noch eine Stunde, bis die Glockengießer ernst machen, die Temperatur muss stimmen. Immer mal wieder nehmen sie die Kelle zur Hand und schöpfen wie bei einer guten Fleischbrühe die Schlacke ab oder werfen Holzkohle in die Rinne, um sie aufzuheizen. Das sei notwendig, erklärt Voegele, damit die Feuchtigkeit aus den Steinen verdampft und die Legierung nicht unnötig abkühlt. Es wird dunkel. Die Flamme über dem Brennkessel bekommt über dem Orange einen grünen…

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